Das Versprechen (German Edition) by Dürrenmatt Friedrich

Das Versprechen (German Edition) by Dürrenmatt Friedrich

Autor:Dürrenmatt, Friedrich [Dürrenmatt, Friedrich]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Kriminalliteratur
ISBN: 9783257600902
Herausgeber: Diogenes Verlag AG
veröffentlicht: 2015-01-21T05:00:00+00:00


23

»Das Gespräch wurde mir von Locher rapportiert. Wie üblich war seine winzige, wie gestochene deutsche Schrift kaum zu lesen. Ich ließ Henzi kommen. Er mußte das Dokument ebenfalls studieren. Er meinte, der Arzt spreche ja selbst von haltlosen Hypothesen. Ich war nicht so sicher, der Arzt schien mir Angst vor der eigenen Courage zu haben. Ich zweifelte nun doch. Wir besaßen schließlich vom Hausierer kein ausführliches Geständnis, das wir hätten nachprüfen können, sondern nur ein allgemeines. Dazu war die Mordwaffe noch nicht gefunden worden, keines der im Korbe befindlichen Rasiermesser wies Blutspuren auf. Das gab mir aufs neue zu denken. Damit war zwar von Gunten nachträglich nicht entlastet, die Verdachtsmomente waren immer noch schwer, doch ich war beunruhigt. Auch leuchtete mir Matthäis Vorgehen mehr ein, als ich zugab. Ich ging zum Ärger des Staatsanwalts so weit, daß ich den Wald bei Mägendorf nochmals durchsuchen ließ, doch standen wir darauf wieder ohne Resultat da. Die Mordwaffe blieb unauffindbar. Offenbar lag sie doch im Tobel, wie Henzi glaubte.

›Nun‹, sagte er und nahm eine seiner gräßlichen parfümierten Zigaretten aus der Schachtel, ›mehr können wir wirklich nicht für den Fall tun. Entweder ist Matthäi verrückt oder wir. Wir müssen uns jetzt entscheiden.‹

Ich deutete auf die Photographien, die ich hatte kommen lassen. Die drei ermordeten Mädchen glichen sich.

›Das weist doch wieder auf den Igelriesen hin.‹

›Wieso?‹ antwortete Henzi kaltblütig. ›Die Mädchen entsprechen eben dem Typ des Hausierers.‹ Dann lachte er. ›Nimmt mich nur wunder, was Matthäi unternimmt. In seiner Haut möchte ich nicht stecken.‹

›Unterschätzen Sie ihn nicht‹, brummte ich. ›Der ist zu allem fähig.‹

›Wird er auch einen Mörder finden, den es gar nicht gibt, Kommandant?‹

›Vielleicht‹, antwortete ich und legte die drei Photographien wieder zu den Akten.

›Ich weiß nur, daß Matthäi nicht aufgibt.‹

Ich sollte recht behalten. Die erste Nachricht kam vom Chef der Stadtpolizei. Nach einer Sitzung. Wir hatten wieder einmal einen Kompetenzfall zu erledigen gehabt, worauf dieser Unglücksmensch, als er sich verabschiedete, auf Matthäi zu sprechen kam. Wohl um mich zu ärgern. Ich vernahm, er sei des öfteren im Zoologischen Garten gesehen worden, ferner habe er sich bei einer Garage am Escher-Wyß-Platz einen alten Nash erstanden. Kurz darauf erhielt ich eine weitere Meldung. Sie verwirrte mich vollends. Es war in der ›Kronenhalle‹, an einem Sonnabend, ich erinnere mich noch genau. Um mich herum war alles versammelt, was in Zürich Klang, Namen und Appetit hat, emsige Kellnerinnen dazwischen, die Voiture dampfte, und von der Straße her drang das Rollen des Verkehrs. Ich saß eben bei einer Leberknödelsuppe unter dem Miró und dachte an nichts Böses, als mich der Vertreter einer der großen Treibstoffirmen ansprach. Er setzte sich ohne weiteres an meinen Tisch. Er war leicht betrunken und übermütig, bestellte einen Marc und erzählte mir lachend, mein ehemaliger Oberleutnant habe den Beruf gewechselt und in Graubünden, in der Nähe von Chur, eine Benzintankstelle übernommen, welche die Firma schon habe aufgeben wollen, so unrentabel sei sie gewesen.

Ich wollte dieser Nachricht zuerst keinen Glauben schenken. Sie kam mir ungereimt vor, töricht, sinnlos.

Der Vertreter blieb dabei. Er rühmte, Matthäi stelle auch im neuen Beruf seinen Mann.



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